Ziele

Der SFB Register zielt darauf ab, Aspekte der intra-individuellen Variation im sprachlichen Verhalten zu untersuchen, die durch situative und funktionale Umstände beeinflusst werden, also das, was wir als Register definieren. Konkret betrachten wir sprachliches Wissen, das ein Sprecher über situative und funktionale Variation besitzt und das wir hier als Registerwissen bezeichnen. Die zentrale Frage, die wir im SFB Register untersuchen wollen, lautet:

Q: Worin besteht das Registerwissen eines/r Sprecher*in?

Wir illustrieren die Relevanz von Register anhand von drei Beispielen. Erstens: Die Sätze Meine Mama ist sauer und Meine Mutter ist verärgert sind, obwohl sie denselben Sachverhalt beschreiben können, in unterschiedlichen Situationen angemessen. Diese Situationen können vielleicht durch den Grad der Formalität unterschieden werden. Zweitens könnten die Ausdrücke 7:53 und (gegen) 8 Uhr verwendet werden, um den Zeitpunkt desselben Ereignisses zu beschreiben, die beiden Varianten haben aber unterschiedliche Verwendungskontexte. Während hier der Grad der Formalität eine Rolle spielen kann, sind auch andere Faktoren relevant. So würde z.B. 7:53 auch in einem informellen Gespräch zwischen engen Freunden bevorzugt, wenn es um die Abfahrtszeit eines Zuges geht. Das dritte Beispiel betrifft die Aussprache, nämlich die Realisierung von /ç/ im Deutschen entweder als [ç] (der sogenannte ‚ich-Laut‘) oder [ʃ] (der Endkonsonant von Fisch). Bei Wörtern wie ich haben Sprecher z. B. der urbanen multiethnolektalen Kiezdeutsch-Varietät in der Regel sowohl die kiezdeutsche Variante [ʃ] als auch die Standard-[ç]-Realisierung zur Verfügung und setzen sie je nach Gesprächspartner und sozialem Gesicht, das sie zeigen wollen, ein. Formalitätsgrad, Zweck, Status des Gesprächspartners und soziale Projektionen sind situative oder funktionale Merkmale, die die Wahl der einen Variante gegenüber einer anderen beeinflussen. Die Fähigkeit eines/r Sprachbenutzer*in, diesen Raum sowohl als Sprecher*in als auch als Hörer*in zu verhandeln, macht sein oder ihr Registerwissen aus.¹

Register ist ein Thema, das in der Öffentlichkeit oft unter Begriffen wie formal, umgangssprachlich und Standardsprache diskutiert wird. Es ist eine allgegenwärtige Eigenschaft von Sprachen. Obwohl registerbezogene Phänomene in zahlreichen deskriptiven, dialektalen, historischen, soziolinguistischen und korpusbasierten Darstellungen von Sprache beschrieben und untersucht wurden, haben sie bisher nicht die wichtige Rolle gespielt, die sie in der linguistischen oder psycholinguistischen Modellierung verdienen. Der Zweck des SFB Register ist ein zweifacher:

  1. unser Verständnis der Rolle von Registerwissen im Sprachgebrauch, -erwerb, -verarbeitung, -variation und -wandel zu verbessern
  2. eine allgemeine Theorie des Registerwissens zu entwickeln, um aktuelle Modelle der Grammatiktheorie und Psycholinguistik zu ergänzen

Wir haben Grund zu der Annahme, dass Registerwissen ein vielschichtiges, quantitatives Phänomen darstellt, das alle sprachlichen Ebenen betrifft und für alle Aspekte der linguistischen Theorie relevant ist. Wir sind überzeugt, dass die Zeit reif ist für eine umfassende und gezielte Untersuchung von Registerphänomenen und Registerwissen, und dass unsere Gruppe die vielen verschiedenen Arten von Expertise vereint, die für ein solches Forschungsvorhaben entscheidend sind. Wir werden im SFB Register drei langfristige Forschungsziele verfolgen:

  1. Wir werden einen wesentlichen Beitrag zum Inventar der gut beschriebenen Registerphänomene leisten, der sowohl die beteiligten Varianten und Alternativen als auch die Fakten, die die Wahl zwischen ihnen beeinflussen, umfasst.
  2. Wir werden das gemeinsame Auftreten verschiedener Varianten und Alternativen und verschiedener Faktoren in spezifischen linguistischen Domänen (wie Phonologie oder Syntax) beschreiben, was zu multifaktoriellen und multidimensionalen Modellen führt.
  3. Indem wir die Erkenntnisse aus 1 und 2 als Ausdrucksformen des Registerwissens betrachten, werden wir versuchen, das Registerwissen in theoretische Modelle des sprachlichen Wissens im weiteren Sinne zu integrieren.

[1] Wir verwenden hier den Begriff ‚Sprecher*in‘ sehr allgemein um eine Person in der Rolle der Sprachproduktion zu bezeichnen, unabhängig von der Modalität, d.h. einen Sprecher im eigentlichen Sinn, ein/e Gebärdensprachschreiber oder Schreiber. Analog dazu bezieht sich ‚Hörer‘ modalitätsunabhängig auf eine Person in der Rolle der Sprachwahrnehmung. Wir verwenden ‚Sprachbenutzer*in‘ als expliziten Oberbegriff für eine Person, die Sprache entweder in der Produktions- oder in der Wahrnehmungsrolle benutzt.